Im September 2007 nimmt meine Frau übers Internet Kontakt zur Reederei Comanav auf, um für den 2. Dezember eine Überfahrt von Genua nach Tanger zu buchen. Bis Ende Oktober erhalten wir keine Antwort. Daraufhin wenden wir uns noch an ein einschlägiges Reisebüro in München. Mit dessen Hilfe gelingt eine Buchung für den 9. Dez. von Sete nach Tanger und retour. Der Termin für die Rückfahrt bleibt offen, weil es noch keinen Fahrplan für 2008 gibt.
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Den Wein für unsere 3monatige Reise bunkern wir in Südfrankreich. Danach hat unser Mobil eine richtig gute Straßenlage. Wir nehmen gerne die 3 oder 5l Kartons, welche im Inneren, in einem folienartigen Sack den Wein enthalten. Er kann über einen seitlich herausziehbaren Hahn entnommen werden. Dabei zieht sich der Sack so zusammen, dass der Rest ohne Luftzufuhr noch 4 Wochen haltbar bleibt. Neuerdings findet man statt der Foliensäcke auch schon Nylonsäcke und nimmt man diese zum Entleeren des letzten Restes Rotwein aus dem Karton, so sehen sie aus wie Blutkonservenbeutel.
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Bei der Ankunft im Hafen von Sete bietet sich uns das gewohnte Bild. Der ganze Platz ist voll mit Pkw’s und Kastenwagen. Fast nur französische Kennzeichen, aber allesamt mit marokkanischen oder arabischen, dunklen Insassen – lediglich 4 Wohnmobile.
Die Autodecks werden restlos gefüllt, die Mobile sind als Letzte an der Reihe. Danach noch ein Pkw Anhänger quer, Rampe zu und ab. Wir sind erst einmal erleichtert.
Unsere Hochstimmung wird aber schon bald nach dem Auslaufen durch die schwere See gedämpft. Das Schlingern und Stampfen, das Geknarre der Träger und das Donnern der Brecher mischt sich mit der Sorge um das Auto tief unten. Ist es wohl gut verzurrt? und hoffentlich auch die rundherum stehenden! Der alte Kasten wird diese Belastungen doch noch einmal schadlos überstehen? – In der Kabine werden wir zwischenzeitlich immer wieder abgelenkt. Teile der Metalldecke haben Spiel und die Dichtung der Waschraumtüre ist nicht mehr vollständig, und so beteiligten sie sich bei jedem Schwanken des Schiffes an dem Konzert aus metallenen Mißtönen. Erst in der zweiten Nacht gelingt es uns, mit gefaltetem Papier, Klorollen und Handtüchern den Lärm in unserer unmittelbaren Umgebung abzustellen. – Im Speisesaal ist das Chaos unter den Stewards noch größer als unter den wenigen Passagieren, die noch zu den Mahlzeiten kommen. Das Porzellan steht auf dem Fußboden, Kaffee oder Tee ist nur von einem einzigen Steward im Plastikbecher zu bekommen und der Würfelzucker kommt aus dem Hosensack mit einer Papierserviette auf den Tisch! Und bei den Hauptmahlzeiten fehlen Menuteile, was aber die flotte Truppe nicht daran hindert, beim letzten Frühstück, vor dem Einlaufen in den Hafen von Tanger, einen, gut mit Münzen und Euronoten vorgefüllten Trinkgeldkorb, im Speisesaal aufzustellen.
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Zum Schlacht- oder Hammelfest sind wir in Essaouira. Es dauert 4 bis 6 Tage und jede Familie, die es sich leisten kann, schlachtet ein Schaf, ein Rind oder ein Kamel. Es müssen männliche, mindestens 2 Jahre alte Tiere sein. Meistens sind es Hammel. In den vergangenen Tagen haben wir immer wieder entsprechende Transporte gesehen. Nach altem Brauch soll ein Drittel des Fleisches der Familie bleiben und der Rest an die Armen verteilt werden. Erlebt und gesehen haben wir es etwas anders.
Wir mögen die quirlige Stadt mit ihrem Fischereihafen, den Fischbratständen, dem Flechthandwerk und den netten Holzarbeiten. Bei den Surfern, des stetigen Windes wegen bekannt und vielleicht deshalb touristisch etwas im Aufwind. Bei einem Stadtbummel können wir unsere kleinen Besorgungen gar nicht erledigen. Fast alle Geschäfte in der Hauptgasse sind geschlossen und weiter unten sehen wir Rauch aus Seitengässchen und Durchgängen quellen. Wir biegen ein und sehen mehrere Feuerstellen. Im offenen Feuer oder auf Gittern darüber, liegen Schafs- und Ziegenköpfe mit dem Fell, schon schwarz verbrannt. Die, im Feuer, aufquellenden Hörner und die brennenden Haare verbreiten einen derartig beißenden, fetten Rauch, dass man das Atmen soweit wie möglich vermeidet und die tränenden Augen nur mehr zu Schlitzen öffnet. Bei unserer Flucht sehen wir dort und da noch einen gespaltenen Kopf. Vermutlich wird das Hirn herausgegessen. Am Vormittag beobachteten wir einige Sandler mit Nylonsäcken und Ziegenköpfen. Jetzt kennen wir den Zweck und das Ziel.
Auf dem außerhalb liegenden CP erwartet uns keine ruhige Nacht. Unmittelbar angrenzend befindet sich ein Leuchtturm, eine Gärtnerei und einige Behausungen mit zusammenhängenden Innenhöfen. Dort und da wird blutiges Wasser aus der Hoftüre gekehrt und frische Schafshäute hängen vom Balkon. Man muss ja auch zeigen, dass man es sich ebenfalls leisten kann! Kein Wunder, dass die Hunde völlig aus dem Häuschen sind! Die ganze Nacht dauert die lange, laute Jagd. Und wenn sie einmal aufhört und wir fast eingeschlafen sind, dann beginnt das Gleiche bei weit entfernten Hunderudeln und unsere bellen wieder begeistert mit. Ruhe kehrt erst ein, als der verschlafen wirkende Muezzin zum Gebet ruft .
In diesen Tagen bleibt bei uns eine mitgedünstete Speckschwarte übrig und ich werfen sie für die Katzen aus dem Fenstern. Schmunzelnd kommt mir in den Sinn, dass ich bei denen damit den Islam untergrabe.
Auch den Hl. Abend verbringen wir in Essaou0,ira. In der Dämmerung machen wir eine Campingplatzrunde und klopfen, wo wir Kontakt gefunden hatten. Unsere Gerda hat uns einen Zelten mitgegeben und dieser wird in kleinen Stücken mit einem „Schnapsl“ erfreut von UK; D, FL und einem CH genommen. Der CH ist ein, in einem blitzsauberen VW reisender Genfer mit seinem großen Schäferhund, eher ein Sandlertyp, vielleicht ein Ex Alkoholiker. Er stammt aus einer „Hotel – Restaurant Familie“ und der Duft des Zelten’s erinnert ihn an seine Mutter. – Er ist recht ergriffen, denn niemand sonst hat ihm schöne Weihnachten gewünscht. Und der Laden, wo er sich für heute Abend ein Bier besorgen wollte, hatte zu. Die paar gemeinsamen Minuten sind auch für uns sehr schön, – einmal ganz anders weihnachtlich! – Am Abend sitzen wir mit weit gereisten Lichtensteinern zusammen.
Einen Franzosen und den Leiter des CP haben wir nicht angetroffen, doch am 25. Dezember wollen wir weiter, obwohl die beiden auf eine Wiederholung unseres Rundganges hoffen. – Ein Deutscher bleibt auch zurück. Die Sevicearbeiten an seinem Mobil ließ er schon immer kostengünstig in Marokko durchführen. Deshalb muss er hier noch einige Tage abwarten, bis seine Werkstatt in Agadir nach den Feiertagen wieder aufsperrt. – Wir wollen uns beim letzten Marokkostop der Rallye Paris- Dakar in der Wüstenstadt Samara wieder mit ihm treffen. So rollen wir vorbei an dem Mandarinenhäuschen, der „Villa Clementine“ voraus in den Süden.
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Unser Stop in Agadir bringt eigentlich nichts Erfreuliches. – Wie schon im Internet zu lesen war, gibt es den CP Taghazout und den Stellplatz in Agadir nicht mehr. – Am CP in Agadir finden wir diesmal überwiegend italienische Mobile. Ob der Gestank am Platz aus der Kanalisation oder den, von den Mobilen einfach in den Boden geführten Abwasserschläuchen herrührt, wissen wir nicht genau. Wenn der Wind dreht, verschwindet dieser Geruch, wird allerdings dann durch den, von verbranntem Müll, ersetzt. – Wir haben uns auf das gute Lamm und die traumhaften Rinderfilets bei unserem Metzger umsonst gefreut. Er hat die Zeit der häufigen Hausschlachtungen für einige Tage Betriebsurlaub genützt. – Wir wissen noch nicht, dass unser Vorsatz, Agadir in Zukunft zu meiden, nicht lange halten wird.
Eine unserer „Blutkonserven“ ist auch leer geworden.
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In Tiznit besorge ich mir einen Zwischenstecker, um mit meinem Schukostecker in den marokkanischen Steckdosen zu Strom zu kommen. Die oftmals geschlossene Wolkendecke und die sehr flache Sonneneinstrahlung des Dezembers verhinderten eine effektive Leistung unserer Solarzellen. – Auf diesem Platz wird uns so richtig bewusst, welche Kaufkraft die Wohnmobilfahrer hier darstellten. Nicht nur Dinge des täglichen Bedarfs, nein, ganze Sat Anlagen und sogar Flachbildschirme sind hier ein Renner. Und Spengler, Lackierer und Tapezierer sind auf dem Platz fast Dauergäste. Plastikstoßstangen und Schürzen werden mittels eingeschmolzener Drahtschlingen geflickt, gekittet und lackiert. (Preisbeispiel: eine Stoßstange 25o Dh). Windfänge, Seitenwände zu Markisen, Abdeckungen für Ausstellfenster, neue Vorhänge und Schutzbezüge für Sitze werden hier angefertigt. Auch ganze Mobile werden neu tapeziert, sogar perfekte Lederarbeiten sind zu sehen. Man kann schon von einem gewissen Boom sprechen, immerhin fasst der CP 246 Mobile und er ist meist ab Mittag „complet“. Und trotzdem werden wir gerade hier recht oft von kleinen „Überehrlichkeiten“ überrascht. So werde ich in der Wäscherei beim Abholen gefragt, ob ich das Waschpulver mitgebracht hätte, um es in Abzug zu bringen, man kann ein halbes Baguette kaufen, auch einen halben Geschirrspülschwamm, beim Internet zu 30 Cent die Stunde, wird, nicht voll genützte Zeit, abgerechnet und der Tapezierer bringt den alten Schaumstoff zurück, wenn man in der Matratze seiner Couch einen neuen wollte.
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In Qualidia steht der CP unter Wasser und wir suchen unseren alten Stellplatz an der Lagune wieder. Vor etwa 20 Jahren standen wir mit dem „Bürgermeister“ an ziemlich genau der selben Stelle. – Auf dem Weg in den Ort treffen wir Österreicher aus GU bei ihrem Fahrzeug und sprechen sie freudig an. Ah, ihr seid die Innsbrucker? Verdutzt schauen wir sie an und begreifen langsam, dass wir sie vor etwa 10 Minuten oben bei unserem Mobil vorbei gehen gesehen haben. Und wieder nehme ich mir vor, keinen mehr anzusprechen. – Zwei weitere Österreicher finden diesen Platz, und noch bevor sie zum Übernachten richtig stehen, werden die umherstehenden Marokkaner mit Hemden, Jacken und Mützen beglückt. Wahllos, nicht etwa alte Bekannte oder Bedürftige, auch Gaffer und Fischverkäufer! Später bekommt dann noch einer, der warme Gerichte seiner Frau verkauft und zustellt, ein Fahrrad. – Unsere mitgebrachten Sachen gibt es grundsätzlich nur für erwiesene Gefälligkeiten. Hin und wieder bietet man uns Gemüse oder Fisch zum Tausch. Oft wollen die Marokkaner neben dem Tauschobjekt auch noch ein paar Dirham.
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Tan Tan Plage liegt etwa 30 km von Tan Tan entfernt am Meer. Früher gab es hier nur die Möglichkeit, auf dem Parkplatz eines Restaurants zu übernachten. Diesmal finden wir zwei weitere Plätze am Meer, mit jeweils 10 bzw. 20 Dh für den Nachtwächter, und 2 Camping Plätze. Diese kosten 30 Dh, plus je 10 Dh mehr für heiße Dusche oder Strom. Irgendwo bei der Anfahrt haben wir einen Finnen getroffen. Auch hier taucht er wieder auf und ich unterrichte ihn von der Absage der Rallye Paris-Dakar, damit er nicht umsonst die 250 km in die Wüste hinaus fährt. Ein ebenfalls, von der Herfahrt bekannter, Neuseeländer mit britischem Kennzeichen (heute heißt es ja United Kingdom, Uk) steht mit einigen anderen Engländern in einer Ecke des Platzes. Sie haben eine hervorragende Arbeitseinteilung: Wassernachfüllen in die Mobile ist Frauensache! Eine fällt ganz besonders auf – sie schiebt ihr, mit 5l Flaschen und Kübeln voll gehängtes Fahrrad immer an uns vorbei und schnell macht der Spruch „stören Sie meine Frau nicht, sie hat zu tun“ die Runde.
Zum Fischereihafen ist es nicht weit und wo ich Fisch kaufen kann, erklärt mir der Polizeiposten an der Hafeneinfahrt. Ich suche Sardinen oder Sardellen. Die Verkäufer an den Ständen verlangen mir allesamt zu viel und zum Handeln habe ich heute keine Lust. Aber ich finde ein Boot, wo man gerade Vorbereitungen zum Löschen trifft und frage nach dem Kilopreis. Ich verstehe 20 Dh. Zugleich kommt ein Korb mit etwa 5 – 6 kg von unten aus dem Schiffsbauch und wird vor mir in eine Kiste geleert. Die Sardinen sind so groß, dass ich sie anfangs für Heringe halte. Auch nicht gerade billig, denke ich mir, außerdem wollte ich ja nur 1 kg. Die Fischer verstehen kaum französisch und ich weder spanisch noch arabisch, aber bei dem folgenden Hin und Her begreife ich dann doch, dass es sich dabei um den Preis für den ganzen Korb handelt. Also zugreifen! Weil aber keiner meinen 50er wechseln kann, schenken sie mir die Fischchen! – Für die große Menge ist mein mitgebrachter Nylonsack bedenklich schwach und so besorge ich mir in einem kleinen Laden noch einen Zweiten über den meinen. Dann trage ich den Sack vorsichtig vor dem Bauch, damit er mir auf dem langen Weg aus dem Hafen nur ja nicht reißt. Richtig gefreut hab ich mich, weil ich den Nachbarn in unserer Ecke eine Freude würde machen können. Leider kommt es anders. Nur einer der Nachbarn will einige Wenige und so sitze ich lange in der Sonne beim Filetieren. Zu unserer, reichlichen Mahlzeit gibt es noch von dem eingetauschten „Anoraksalat“ und darüber hinaus reicht es für einige Gläser Bismarckhering. Die letzten Fische will ich dann mit steifem Rücken an irgend jemanden auf dem CP verschenken. Vergebens, vielleicht hätte ich sie gebacken, nett garniert und mit einem kühlen Glas Weißwein anbieten sollen!
Über eine Woche verbringen wir hier und fühlen uns sehr wohl. Beim Einkaufen beobachte ich, dass die meisten Einheimischen auch kleinste Einkäufe nicht bezahlen, sondern aufschreiben lassen. Ich frage auch nach dieser Möglichkeit und, überhaupt nicht überrascht, will der Verkäufer nur meinen Namen wissen. – Immer noch wird von älteren Ladenbesitzern in der alten Währung, dem Rial, gerechnet und, bei Verständigungsproblemen mit uns, zum Zeigen in den Taschenrechner getippt. Vermutlich wegen unserer dummen Gesichter kommt schnell die Erklärung „Rial – Rial“ und das Zeichen mit dem halben Unterarm. Okay, aber dann gibt es zu viel Wechselgeld? Also, richtig gerechnet wird wie folgt: Betrag in Rial gebrochen durch hundert und dividiert durch zwei.
Eines Morgens denke ich im Halbschlaf: „ homma tatsächlich a so a Luada herinnen?“ und rudere mit den Armen im Halbdunkel, um die lästige Mücke zu vertreiben. Als das Gesumse nicht aufhört, begreife ich allmählich, dass ich den Muezzin vertreiben wollte.
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Ein netter Berliner, den wir auf dieser Reise einige Male treffen, redet von Menschen mit eigenartigen Ansichten oder unverständlichem Verhalten stets als „Patienten“. Auch wir haben Begegnungen, welche in diese Rubrik passen!
Als ehemalige Hundebesitzer haben wir Verständnis für Tiere und Tierhalter. Doch dieses Mal wird dieses Verständnis oft stark strapaziert. – Viele Franzosen, aber n i c h t n u r Franzosen, besitzen Hunde; oft auch zwei pro Mobil. ABER, – wenn diese auf dem Campingplatz frei herumlaufen und Grill, Gasflasche und Mullsackl vor den Mobilen der Nachbarn anpieseln? muss man danach alles abwaschen oder mit Gummihandschuhen angreifen? — Einer reist mit einem Dackel. Sein, durch Krankheit, Unfall oder was auch sonst, völlig verkümmertes, gelähmtes Hinterteil war auf ein 2rädriges Gestell geschnallt. Bei seinen kleinen Ausflügen bleibt er natürlich dauernd im Gebüsch, an Steinen und unter dem Auto hängen! — Ein anderer hat einen boxer-artigen Hund, mit hohem, gekrümmtem Rücken und steifen Beinen. Er fällt dauernd um. —
Am CP Agadir treffen wir einen, der uns seinen Standpunkt, in unserem Alter keinesfalls weiter als bis hierher zu fahren, förmlich aufdrängt. Wo sonst in Marokko hat man im Falle eines Herzinfarktes eine ausreichende, ärztliche Versorgung? Diese Gefahr schien für ihn auf der Fahrt mit eigenem Wohnmobil bis Agadir und zurück nicht zu bestehen? — In Immesouane war der CP geschlossen und wir stehen mit einigen Italienern und Franzosen auf einem netten Plätzchen über dem Meer. Vor unserem Mobil spielen 3 herrenlose, junge Hunde. Ein Franzose kommt mit einem kleinen Päckchen in der Hand auf mich zu und fragt, ob sie uns gehören. „Nein“, antworte ich ihm. „Wo ist ihre Mutter? Und darf ich ihnen das zum Fressen geben?“ Als ob ich das wüsste! — Souira ist eine völlig neue Ortschaft. Vom Reisbrett in eine Bucht gestellt, mit neuer, marokkanischer Architektur, noch nicht ganz fertig, auch noch nicht ganz verkauft, aber schon werden einige Häuser zum Weiterverkauf angeboten. Auch hier fühlen wir uns mit 10 oder 15 anderen Mobilen wohl. Am nächsten Vormittag leert sich der Platz etwas und ein holländisches Ehepaar erkundigt sich bei mir, ob dieser „Stellplatz“ kostenlos wäre und ob denn heute noch viele Mobile kommen würden. – Soweit die „Patienten“.
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Naila ist ein Naturschutzreservat südlich von Akhfennir. Eine Lagune, umgeben von Sanddünen und Steinwüste, mit Fischfang und bescheidenem Anfang einer Austernzucht. Mit einer Genehmigung der Verwaltung in Akhfennir kann man hier, ohne jede Ver- und Entsorgungsmöglichkeit, einige Tage gratis stehen. Es sollte unser südlichster Punkt für heuer werden. Wir starten also mit vollem Frischwassertank in Tan Tan Plage. Als wir jedoch auf halber Strecke den Qued Chebeika überqueren und eine befahrbare Zufahrt in die Bucht sehen, können wir nicht widerstehen. Umdrehen und Hinausfahren bereuen wir nicht. Ein wunderschöner Stellplatz mit Aussicht auf das tosende Meer. Am Vormittag beobachten wir hunderte Flamingos am Strand und einen Steinwurf weit von uns entfernt, baden die Einheimischen in einer warmen Quelle und waschen ihre Wäsche. Nur schade, dass wir in diesen Tagen unseren Wasservorrat verbrauchen. Also fragen wir in Akhfennir an der Tankstelle danach. Ich erinnere mich, dass wir beim letzten Mal dafür bezahlen mussten. Aber der Tankwart schüttelt nur den Kopf. Im angeschlossenen Restaurant das Selbe. Etwa einen km südlich soll es einen CP geben, warum also hier lange herumbetteln? Wir fahren einfach erst morgen weiter! Die Einfahrt ist sehr schmal und der Campingwaschl ist sofort zur Stelle. Als er uns den Preis von 100 Dh nennt, mühen wir uns mit der engen Einfahrt nicht mehr ab. Das ist für Marokko ein weit überzogener Preis. Wieder zurück im Dorf, fragen wir bei dem Händler, wo wir unsere Vorräte ergänzen und werden an das „Cafe de Paris“ verwiesen, fragen an der zweiten Tankstelle und von dort schickt man uns zu einem Traktor mit großem Tank vis a vis. Der Tank enthält trübes Regenwasser. – Das örtliche Wasserreservoir wird uns aufgesperrt, weil es aber fast leer ist, der Boden aus Sand und Erdreich besteht und die Entnahme mittels Seil und Kübel erfolgen müsste, war auch das für uns ungeeignet. In der Tabaktrafik sollte es auch noch eine Möglichkeit geben! Aber so langsam dämmerte uns die ganze Tragweite. In diesem Dorf gibt es überhaupt kein Wasser! Es wird mittels Tankwagen aus dem ca. 150 km entfernten Tan Tan geliefert. Und die örtliche Wasserpumpe ist wegen Strommangel schon lange nicht mehr in Betrieb. Nirgends ein Wasserhahn! – Für uns nicht weiter schlimm, wir kaufen einige 5 l Flaschen Mineralwasser a 10 Dh und fertig! Aber, dass die Bevölkerung eines ganzen Dorfes an der Küste und mit Asphaltstraße heute noch so lebt, ist für uns unfassbar.
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„Tanken, wo tanken noch Freude macht!“ Eine riesige Werbetafel mit diesem Slogan könnte man hier über die Tankstellen hängen. Diesel 37 Dh pro Liter!
Auf der Rückfahrt nach Tiznit haben wir viel Wind. Keinen Sandsturm, aber doch bis in die Höhe von zwanzig, dreißig Metern reichende, undurchsichtige Sandwolken. Immer mehr Franzosen kommen uns jetzt entgegen, viele mit Anhängern, oft doppelachsig und im Design des Wohnmobils lackiert. Als wir nach der Ankunft am CP wieder einmal Solarzellen reinigen, kracht es neben uns. Beim Rückwärtsfahren mit Anhänger streift einer ein abgestelltes Wohnmobil. Seine Gattin sitzt brav neben ihm am Beifahrersitz.
Diese Anhänger nehmen ganz rapide zu. Sei es, weil die Mobile viel zu wenig Nutzlast haben, oder weil man auf nichts verzichten kann. Mehrere Motorräder, Klein-Pkw’s und Roller, Quad’s, Fahrräder und viertürige, eingebaute Kleiderschränke! Alles wird auf den Anhängern mitgenommen. Und die Fahrer werden immer älter! Dann startet der Nachbar am CP zwanzig Mal am Tag, nur weil er Abwasser wegbringt, Frischwasser holt, zum Pipie fährt, ein Baguette vor dem CP kauft oder weil er sich einfach mit dem Sturzhelm auf seinem Quad so gut vorkommt. Da frage ich mich schon manchmal, ob es richtig ist, den Staub und den Rauch des Zweitackters immer still zu schlucken.
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Trotz einiger Zweifel und mulmigem Gefühls nach der Bestellung der Tapeziererarbeiten in unserem Mobil, werden diese nach intensiven und nachdrückligen Gesprächen und Kontrollbesuchen ordentlich, sehr preisgünstig und termingerecht abgeschlossen.
Auch haben wir noch immer keine Klarheit darüber, ob unser Telefonat zur Reservierung unseres Rückfahrtermines erfolgreich war. Unsere Gesprächspartnerin bei der Reederei flötete damals nur einige „Oui, – oui oui“.
Über mehrere Tage zogen sich die Bemühungen eines hilfsbereiten, deutsch sprechenden Mitarbeiters des Campingplatzes und die unseres Reisebüros in München. Beiden gelang es nicht, eine Bestätigung unserer Reservierung zu erhalten. Um endlich Klarheit zu erlangen, müssen wir baldmöglichst selber nach Agadir! Ein bisschen beschleicht mich das Gefühl, dass mir der Jänner abhanden gekommen ist. – Zur Abfahrt kräht noch einmal der Hahn vom Dach des 3stöckigen Hauses gegenüber.
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Wir bekommen die Bestätigung nach ein paar Tagen, aber leicht ist es nicht und auch nicht umsonst. Manchmal wünschte ich mir, dass man uns das Geld zurück gibt, dann könnten wir einfach durch Spanien zurück fahren!
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Aber ab jetzt geht es entspannt und zurück gelehnt nach Norden und dabei besorgen wir noch die letzten Mitbringsel.
Erschreckend, aber angenehm ist die Überraschung, welche uns auf dem Stellplatz in Sidi Kaouki erwartet. – Wir finden hier einen angenehmen Stellplatz unter der Leitung eines freundlichen Franzosen. Bei der Ankunft ist unser Wassertank leer und er lässt sofort die Wasserpumpe anwerfen, damit wir füllen können. Sonst ist dies morgens und abends möglich. Das Brauchwasser für „untertags“ kann mit einem Schlauch aus einem Behälter herunter gelassen werden. Zwischen den Wohnmobilen sucht ein Kamel sein Futter und am nächsten Morgen, wir sind schon auf, haben aber ringsherum noch zu, da klopft es bei uns. Wir öffnen und direkt vor unserer Türe steht ein weißes Maultier mit seinem Reiter und großen Tragekörben zu beiden Seiten. So unverhofft und auf die kurze Distanz zum Erschrecken! Aber es ist der Bäcker, der auf so originelle Weise die Mobile versorgt. – Am nächsten Morgen stehen wir früher auf, um das Ganze zu filmen. Leider ist der Mann erkrankt und sein Sohn brauch eine Stunde länger, um einen Korb zu Fuß aus dem Dorf heraus zu schleppen. —
In Larache staunen wir am kostenlosen Reederei-Stellplatz über die Naivität eines Erste-Mal-Marokko-Fahrers. Bei der Einreise, so erzählt er uns, habe er für diverse „Helfer“ drei x 10 Euro bezahlt. Hier hilft ihm ein Marokkaner, den Arm mit dem LMB von der Satellitenschüssel wieder in den richtigen Winkel zu bringen. Die verlangten dreißig Euro bezahlt er gerne. „Ja, wenn man bedenkt, was das bei uns kostet“. Unsere Blicke deutet er richtig und er geht. – Am selben Nachmittag bestellte der Franzose hinter mir eine Arbeit mit ähnlichem Zeitaufwand bei dem selben Mann. Er machte ihm aber vorher unmissverständlich klar, dass es soo mit ihm nicht klappen würde, und bezahlte anschließend 20 Dh.
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Unsere Fähre trifft mit 2stündiger Verspätung ein und das Abendessen wird noch im Hafen serviert. Am Tisch freue ich mich noch darüber, dass wir in dieser Nacht von keinen Hunden, Eseln oder Muezzin’s gestört werden würden und ernte Zustimmung. Noch weiß ja niemand, dass die Rückfahrt noch stürmischer verlaufen sollte. Eigentlich hätte uns die Verspätung warnen sollen.
Das Servicepersonal hat sich bei der Rückfahrt allerdings ein Trinkgeld verdient! Und noch etwas habe ich gelernt. Wenn ich wieder einmal irgendwo auf einer Fähre Strom haben will, so bleibe ich beim Auto, bis er auch wirklich angesteckt ist! Hier wurde bis zum letzten Moment verladen dann hatte die Mannschaft mit dem Verzurren der Fahrzeuge auf dem bereits auslaufenden Schiff alle Hände voll zu tun. Und anschließend haben sie es einfach vergessen.
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Kaum auf französischem Boden, meldet sich die zweite Frauenstimme an Bord unseres Mobils wieder, unsere Susi!
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Christian ©