Nach dem Motto
Tous jour libre, jamais seules
planen wir heuer eine Mobilreise von Mitte April bis Ende Mai in die Bretagne. Auf Grund des regnerisch – kühlen Wetters im März und April bei uns zu Hause, sind wir absolut nicht sicher, ob dieser Termin eine gute Wahl für eine Fahrt in den äußersten Nordwesten ist.
Unsere Tour soll uns entlang der Küste zuerst nach Westen, dann nach Süden und schließlich durch das Loire –Tal wieder zurück führen. Neben den „üblichen“ Reiseführern orientieren wir uns nach der CD des franz. Campingclubs, sowie dem „Le Guide National des Aires de Service Camping Cars“ und dem Band „Escapades en camping-car“.
Und genau so verläuft unsere Reise auch. Das Wetter bessert sich, als wir die Küste erreichen. Es ist hier viel milder als bei uns – auch während dem späteren Schlechtwetters, welches uns sogar Hagel bringen sollte! Also ab jetzt kurze Hose und T Shirt, die Socken bleiben im Kasten.
Wir genießen die unvergleichlich „verinselte“ Küste mit den goldgelben Sandbuchten, wir staunen, dass die fast winzigen alten Steinhäuser noch bewohnt sind und wir freuen uns über die Blütenvielfalt in den Gärten. Die Natur ist hier viel früher dran. Unsere Frühlings- und Sommerblumen blühen hier zugleich! Aber auch Sträucher stehen in voller Blüte. Wir sehen Straßenböschungen mit vielen verschiedenfarbigen Mittagsblumen, Margariten, Vergissmeinnicht, Rosen, Lilien, Flachs, Callas, gelben Mohn, Ginster, Flieder und Rhododendron. Aber auch die, für uns mediterrane, Kamelie, gibt es in vielen Farben. Ihre abfallenden Blüten bilden einen regelrechten Teppich auf den Gehsteigen.
Viele der alten Häuser wurden oder werden restauriert. Diese, und auch neu gebaute, werden meist mit einem Außenputz versehen. Aber trotzdem bleiben über den Fenstern und Haustüren, oder an den Hauskanten große Steinquader sichtbar. Oft sieht man einen, aus Stein gemeißelten Torbogen und immer noch sind sie eigentlich klein und gedrungen. Viele wirken wie in den Boden gekrallt oder sie ducken sich in eine Bodenwelle. Andere stehen im Windschatten von mächtigen Felsen. Nur in größeren Ortschaften finden sich mehrstöckige Gebäude. Wir ertappen uns des Öfteren dabei, dass wir uns „wie in England“ fühlen.
Wir fahren dem westlichsten Finistere entgegen und sehen eine Landwirtschaft, die nur mehr aus Artischocken besteht. Die großen Kugeln so weit das Auge reicht! Aber auch jede kleine Fläche ist mit erntereifen, oder schon wieder mit jungen Pflanzen bebaut.
Mit unseren Unterlagen fällt es uns leicht, geeignete Stellplätze zu finden. Es gibt wirklich sehr viele in kurzen Abständen, oft direkt an der Küste und immer wieder auch kostenlose. Gebührenpflichtige zwischen 3 und 6 € inclusive Frischwasserversorgung. Sonst gibt es meistens für den Einwurf einer 2 € Münze wahlweise 10 min. lang Frischwasser oder für 55 min. Strom. Zur Abwasserentsorgung ist fast überall eine breite, beidseitig abfallende Betonrinne vorhanden. – Die Informationen aus den oben genannten Unterlagen sind sehr aktuell und nur selten stimmt unsere Vorstellung auf Grund der Beschreibung mit dem Vorgefundenen nicht überein. Nur einmal, in Malo, finden wir den gut ausgeschilderten Stellplatz geschlossen und keiner, der auf einer großen Tafel angebotenen Ausweichstellplätze findet unsere Zustimmung.
Wir sind meist die einzigen Ausländer, was wir sehr angenehm empfinden. Uns fällt auf, dass sehr vieleBretonen hier in der Bretagne mit ihren Wohnmobilen unterwegs sind und mit unseren paar Brocken Französisch ist schnell der Bann gebrochen, zumal sich mein Interesse für das Fischen mit ihren Hobbys deckt. Ich bekomme Ratschläge zum Finden, Unterscheiden und Hältern von Muscheln, über Mindestmaße und Rezepte, aber auch, wann wo und wie man Angeln vor der Flut auslegt. – Am nächsten Morgen begrüßen uns die Gesprächspartner von gestern mit Handschlag. Einer gibt uns sogar einen frischen Wolfsbarsch von seiner nächtlichen Beute. — Irgendwo kommt einer mit Stiefeln und einem „Schmetterlingsnetz“ vom Strand und bevor er sein Mobil erreicht, muss ich natürlich in sein Körbchen schauen. Er hat Shrimps gefischt, und zwar recht erfolgreich. — Wir finden wilde Austern und sammeln Meeresschnecken und sehen, dass der angeschwemmte Seetang zum Düngen vom Strand geholt wird. Wir beobachten auch das Trocknen von Meeresalgen, woraus man hier seit Alters her Jod gewonnen hat.
Die Bretonen liegen für uns Tiroler einfach auf der richtigen Wellenlänge. Sie haben schon immer ihr Leben mit dem bestritten, was die Natur gerade geboten hat, und, sie haben sich nicht immer untergeordnet und zu allem ja und Amen gesagt. – Der Umstand, dass in der Bretagne die Autobahnen mautfrei sind, ist darauf zurückzuführen, dass die Bretonen während des Baues die, am Tage gebauten Mauthäuschen in der folgenden Nacht mit Caterpillern von der Strasse geschoben haben. Und zwar so lange, bis die Bemautung von der Regierung fallen gelassen wurde!
Inzwischen sind wir schon ein ganzes Stück im Mai. Die Küsten und Häfen gefallen uns jetzt viel besser. Zu Beginn unserer Reise hat man schon sehr deutlich die Zwischensaison gemerkt. Für Reinigungs- und Instandsetzungsarbeiten hatte man teilweise das Wasser sehr weit abgelassen. Es ist einfach kein schönes Bild, wenn die Schiffe schief im Dreck liegen.
Das Leben in der Bretagne ist heute nicht mehr so hart und entbehrungsreich wie früher. Aber trotzdem scheint es auf Zuwanderer und Gastarbeiter keinen großen Reiz auszuüben. Wir haben wirklich ganz, ganz wenige gesehen. Gehört haben wir allerdings sehr oft einen, einen ganz Besonderen! Überall und zu jeder Tageszeit hörten wir einen Kuckuck, auf Tirolerisch „Guggugg“. Da im Französischen ein U immer als Ü ausgesprochen wird, kann es sich bei dem Rufer nur um einen Ausländer gehandelt haben; ein Franzose hätte Gügüüg gerufen. Uns wundert immer wieder, dass es so wenige ausländische Touristen in dieses wunderschöne und vielfältige Land zieht. Und spricht man jemanden darauf an, so kommt immer das gleiche Argument: wir können ja nicht französisch. Von deutsch sprechenden Touristen werden so viele anderssprachige, europäische Länder bereist, deren Sprache auch keiner beherrscht.
. Ein anderes Argument würde ich allerdings gelten lassen: dass sich nämlich die Einwohner anderer Länder mehr bemühen, uns zu verstehen, oder selber irgendwie deutsch reden!
Aber ganz so schwer ist es wirklich nicht. Man versteht die Bedeutung von vielen Worten und kann damit auf den Sinn eines Satzes schließen. Hier einige Beispiele aus dem Straßenverkehr anhand der obigen Bilder: Le Haut Finistere = die widerstandsfähige, abgehärtete Haut dieser nordwestlichsten Bretonen, eben denen aus dem Finistere.
Wenn jemand erregt ist, also einen „Rappl“ hat, dann soll er zumindest keine gefährlichen Strecken mit dem Rad befahren. Ist ja bei uns auch so!
Bevor Du den Hafen betrittst, zieh dir Stiefel an!
Wenig Verständnis habe ich für die Webung am Straßenrand, unmittelbar zusammen mit Verkehrszeichen, ganz gleich ob es nun in diesen Lokalen Nachtisch oder zum „Saufen“ gibt! Und, dass es Taxis gibt, die „Sauftouren“ anbieten — also bitte, die werden schon noch sehen, wohin das führt.
Choisissez votre cote liest man oft auf den Ver- und Entsorgungssäulen. Na ja, auch das ist zu enträtseln: Ch wird als Sch, und oi als oa ausgesprochen und votre heißt Ihren. Man liest also Schoas… und ihren Kot, und wenn sich darunter noch eine Klappe befindet, so weiß man ganz genau, wo die „Musikkassette“ zu entleeren ist.
Recht oft ist mir die Geschichte eingefallen, die davon erzählt, was sich zugetragen hat, als sich General Charles de Gaulle nach dem Krieg zu einem Besuch einer Besatzungseinheit in einem kleinen Tiroler Dorf ansagte. Dabei sollte der Bürgermeister den General mit den Worten „Bon jour mon cher Charl“ begrüßen, also wie „Bohn Schua (ch) Monn Scher Scharl ( für kleine Schere)“ ausgesprochen. Der Bürgermeister kam aber weder mit der französischen Schrift noch mit der Aussprache zurecht. Es klappte einfach nicht, obwohl er sich eine ganze Woche vorher redlich abmühte. Am Rednerpult lief es dann aber doch wie am Schnürchen. Des Rätsels Lösung: ein selbst geschriebener Schwindelzettel.
Christian ©